Fast Walk heute morgen im Central Park, 6 km, den Kopf durchzulüften, alles mal raus kippen und den Gedanken von gestern Abend wieder aufgreifen und für mich klären.
Triggerwarnung, habe ich gelernt, das Nächstfolgende ist keine Belehrung, kein persönlicher Affront, keine Rechtfertigung. Es sind meine persönlichen Gedanken, die ich mal sortieren möchte und wer mag, liest weiter oder eben nicht, oder teilt sich mir mit, oder oder oder……
Privileg: einem Einzelnen, einer Gruppe vorbehaltenes Recht, Sonderrecht
Die Diskussionen über dieses Thema haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, besonders in den globalen Debatten über ’Black lives matter‘, ’Kulturelle Aneignung‘, ’Acknowlegement’…..
Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Es kommt oft ins Spiel, spricht man über die o.g. Themen. Nach meiner Erfahrung oft dann, wenn das angriffslustige Gegenüber mit den zuerst genannten Themen nicht zum gewünschten Erfolg gekommen ist, da ich keines dieser Themengebiete negativ bediene und trotz dessen eine Meinung zu allem habe.
So habe ich, und damit spreche ich für die meisten meiner Freunde und Bekannten, in meinem ganzen Leben nicht eine Sekunde an der Gleichwertigkeit aller Farben gezweifelt. Natürlich verstehe ich die Hintergründe, sehe den notwendigen Aufklärungs- und Handlungsbedarf. Allerdings sehe ich auch, daß durch eine Überdeutung die Dinge in der Masse auch eine übermäßige Reaktion hervorrufen. In diesem Falle wurde quasi jeder ’weiße’ automatisch irgendwie schuldig und anstatt einer Gleichwertigkeit wird eher ein Ungleichgewicht in die Gegenrichtung erzeugt. Hier in Amerika ist das deutlich zu spüren, ich selbst wurde oft genug von Schwarzen beschimpft, meiner Hautfarbe wegen, herablassende Blicke, nonverbale Abwertung - egal wie freundlich und aufgeschlossen ich auftrat. Besonders auffällig war dies in Brooklyn der Fall, sehr selten lächelte jemand zurück, im Gegenteil, ein übersteigertes Selbstbewusstsein schlug mir entgegen( nicht zu verwechseln mit Stolz, den ich erkennen und achten würde) jedoch empfinde ich keine Schuld. Ich kann mich für andere schämen, Dinge verurteilen…aber ich kann keine Schuld übernehmen.
Ebenso die anderen Themen: wenn ich etwas aus anderen Kulturen übernehme, dann weil es mir gefällt und aus Wertschätzung, wenn ich andere nach ihrer Herkunft frage, dann aus echtem Interesse und aus Wertschätzung, ich achte Geschichte und Traditionen, aus Wertschätzung! Ich stelle mich niemals bewusst über andere, und wenn das jemand in mir und meinen Ausführungen sieht, dann würde mir das sehr leid tun und ich würde mich falsch verstanden fühlen. Aber wie oben erwähnt - keine Rechtfertigung.
Ich könnte noch fortfahren aber ich glaube, den Bogen hier spannen zu können.
Ist mein Gegenüber also nicht zum Ziel meines Schuldeingeständnisses gekommen wird das ’Privileg’ eingeflochten.
Und hier komme ich zurück zu gestern Abend. Mir gegenüber ein junger Mann, Mitte 30, also schon die nächste Generation.
Aufgewachsen und durchgeboxt zwischen Düsseldorfer Hochhausschluchten, er weiß, wie das Leben geht, ich kann es diesbezüglich nur ahnen.
Liebende Eltern, Bildungsorientiert, bescheiden und fleißig ziehen sie die Brüder groß, später raus aufs Land, hier lebt es sich gut, Freunde, Natürlichkeit. Er ist neugierig und klug, treibt Sport, macht Abitur, studiert - Geschichte und Germanistik, geht in den Journalismus, Auslandssemester, Praktika, siedelt durchs Land und sammelt Erfahrungen, macht einen guten Job. Fast alles hat er (oder die Familie) aus eigener Kraft, mit eigenem Geld, allein geschafft!
Und dann sagt er etwas, was mich auch schon des Öfteren beschäftigt hat; er hat keine Lust auf Diskussionen über ’privilegiert qua Geburt‘ weil wir weiß sind, in Deutschland leben, das ständige Rechtfertigen in bestimmten Gruppen…..und ja, ich weiß genau was er meint!
Und dabei geht es nicht darum, daß wir uns nicht dessen bewusst sind, daß es uns gut geht und das es vielen anderen deutlich schlechter geht, daß wir natürlich Möglichkeiten hatten und haben, daß unser Leben ein Gutes ist….DAS IST KLAR!
Nur warum gehört man nur zu den moralisch Guten, wenn man das immerzu betont und sich selbst am besten eine Lodensack anzieht und kompletten Verzicht übt? Was genau wird dadurch besser?
Wir brauchen nicht weit zurück zu schauen um zu sehen, daß viele unserer Großeltern nach dem Krieg nichts hatten und hart gearbeitet haben um über die Runden zu kommen und die Familien und das Land wieder zum Laufen zu bringen. Weder die Hautfarbe und noch weniger ihre Herkunft verschafften ihnen Vorteile, sondern Fleiß, Willensstärke, Hoffnung in die Zukunft. Weiter gehts mit unseren Eltern, Nachkriegsgenerationen, als Kinder nie genug zu essen, mitarbeiten, wer mehr vom Leben wollte mußte sich strecken, lernen, lernen, lernen, geschenkt gab es nichts und gibt es nichts.
Und dann kommen wir - und wir hatten wirklich Glück, kein Krieg, kein Hunger, wirtschaftlich gute Jahre. Kinderbetreuung für alle, Bildung für alle, soziale und Gesundheitliche Absicherung für alle, was hatten unsere Vorfahren geschafft!(ost-west lasse ich mal raus jetzt)
Klar, es gibt immer die ganz Reichen oder Die mit Beziehungen, aber, die gibt es in jedem Land der Welt und teilweise viel korrupter.
Aber auch Kinderbetreuung und Bildung gibt es in sehr vielen Ländern, auch medizinische Grundversorgung oder Altersvorsorge…., überall anders ausgeprägt aber sicher nicht nur an weiße Hautfarbe gebunden.
Ich habe viele Länder dieser Erde bereist, auch die sogenannte 3. Welt, und natürlich ist nicht überall alles super, aber auch nicht alles schlecht. Mit welchen Maßstäben messen wir denn das Privilegiertsein? Ich finde, manche nehmen sich da Zuviel raus im Festlegen, was sagt etwas über den bestmöglichen Zustand aus und den haben wir und deshalb sind wir privilegiert. Wie abgehoben eigentlich?
Und ja, es geht uns gut, meinem jungen Freund und mir, es ist uns bewusst, aber wir haben auch viel dafür getan, gelernt, gearbeitet, mehr gelernt, Interesse gezeigt, nachgefragt, Möglichkeiten gesucht und gefunden, viel selbst bezahlt - es ist uns nicht einfach in den Schoß gefallen. Und dieses Totschlagargument , -wir sind ja privilegiert- macht nichts und für niemanden etwas besser. Vor allem dann nicht, wenn es von Leuten kommt, die eigentlich noch gar nichts auf die Reihe bekommen haben, noch nie in den Regionen waren über die sie reden, und anstatt ihre Fähig- und Fertigkeiten zum Nutzen aller zu erkennen und zu entwickeln, lieber alles nach unten nivellieren und damit im schlimmsten Fall alles für alle schlechter machen.
Da mache ich jetzt einen Punkt.
Ein kleines Kulturprogramm gab es heute aber auch😌 Ich war nochmal in der Metropolitan Opera und habe mir tatsächlich noch einen Wagner angeschaut, den ’Fliegenden Holländer’ in der Prämiere. Erstaunlicherweise nicht ausverkauft. Bühnenbild toll, Solisten und Chöre unglaublich stimmgewaltig nur leider schlecht zu verstehen, selbst für mich als Muttersprachler, das Orchester war super hat aber alles übertönt, das war sehr schade. Aber die Handlung ist ja recht einfach und eindeutig so konnte man sich der Musik hingeben, die so unverkennbar mit den Hörnern begann….