Dienstag, 30. Mai 2023

Privilegien

 Fast Walk heute morgen im Central Park, 6 km, den Kopf durchzulüften, alles mal raus kippen und den Gedanken von gestern Abend wieder aufgreifen und für mich klären.

Triggerwarnung, habe ich gelernt, das Nächstfolgende ist keine Belehrung, kein persönlicher Affront, keine Rechtfertigung. Es sind meine persönlichen Gedanken, die ich mal sortieren möchte und wer mag, liest weiter oder eben nicht, oder teilt sich mir mit, oder oder oder……

Privileg: einem Einzelnen, einer Gruppe vorbehaltenes Recht, Sonderrecht

Die Diskussionen über dieses Thema haben in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, besonders in den globalen Debatten über ’Black lives matter‘, ’Kulturelle Aneignung‘, ’Acknowlegement’…..

Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Es kommt oft ins Spiel, spricht man über die o.g. Themen. Nach meiner Erfahrung oft dann, wenn das angriffslustige Gegenüber mit den zuerst genannten Themen nicht zum gewünschten Erfolg gekommen ist, da ich keines dieser Themengebiete negativ bediene und trotz dessen eine Meinung zu allem habe.

So habe ich, und damit spreche ich für die meisten meiner Freunde und Bekannten, in meinem ganzen Leben nicht eine Sekunde an der Gleichwertigkeit aller Farben gezweifelt. Natürlich verstehe ich die Hintergründe, sehe den notwendigen Aufklärungs- und Handlungsbedarf. Allerdings sehe ich auch, daß durch eine Überdeutung die Dinge in der Masse auch eine übermäßige Reaktion hervorrufen. In diesem Falle wurde quasi jeder ’weiße’ automatisch irgendwie schuldig und anstatt einer Gleichwertigkeit wird eher ein Ungleichgewicht in die Gegenrichtung erzeugt. Hier in Amerika ist das deutlich zu spüren, ich selbst wurde oft genug von Schwarzen beschimpft, meiner Hautfarbe wegen, herablassende Blicke, nonverbale Abwertung - egal wie freundlich und aufgeschlossen ich auftrat. Besonders auffällig war dies in Brooklyn der Fall, sehr selten lächelte jemand zurück, im Gegenteil, ein übersteigertes Selbstbewusstsein schlug mir entgegen( nicht zu verwechseln mit Stolz, den ich erkennen und achten würde) jedoch empfinde ich keine Schuld. Ich kann mich für andere schämen, Dinge verurteilen…aber ich kann keine Schuld übernehmen.

Ebenso die anderen Themen: wenn ich etwas aus anderen Kulturen übernehme, dann weil es mir gefällt und aus Wertschätzung, wenn ich andere nach ihrer Herkunft frage, dann aus echtem Interesse und aus Wertschätzung, ich achte Geschichte und Traditionen, aus Wertschätzung! Ich stelle mich niemals bewusst über andere, und wenn das jemand in mir und meinen Ausführungen sieht, dann würde mir das sehr leid tun und ich würde mich falsch verstanden fühlen. Aber wie oben erwähnt - keine Rechtfertigung.

Ich könnte noch fortfahren aber ich glaube, den Bogen hier spannen zu können. 

Ist mein Gegenüber also nicht zum Ziel meines Schuldeingeständnisses gekommen wird das ’Privileg’ eingeflochten. 

Und hier komme ich zurück zu gestern Abend. Mir gegenüber ein junger Mann, Mitte 30, also schon die nächste Generation.

Aufgewachsen und durchgeboxt zwischen Düsseldorfer Hochhausschluchten, er weiß, wie das Leben geht, ich kann es diesbezüglich nur ahnen.

Liebende Eltern, Bildungsorientiert, bescheiden und fleißig ziehen sie die Brüder groß, später raus aufs Land, hier lebt es sich gut, Freunde, Natürlichkeit. Er ist neugierig und klug, treibt Sport, macht Abitur, studiert - Geschichte und Germanistik, geht in den Journalismus, Auslandssemester, Praktika, siedelt durchs Land und sammelt Erfahrungen, macht einen guten Job. Fast alles hat er (oder die Familie) aus eigener Kraft, mit eigenem Geld, allein geschafft! 

Und dann sagt er etwas, was mich auch schon des Öfteren beschäftigt hat; er hat keine Lust auf Diskussionen über ’privilegiert qua Geburt‘ weil wir weiß sind, in Deutschland leben, das ständige Rechtfertigen in bestimmten Gruppen…..und ja, ich weiß genau was er meint!

Und dabei geht es nicht darum, daß wir uns nicht dessen bewusst sind, daß es uns gut geht und das es vielen anderen deutlich schlechter geht, daß wir natürlich Möglichkeiten hatten und haben, daß unser Leben ein Gutes ist….DAS IST KLAR!

Nur warum gehört man nur zu den moralisch Guten, wenn man das immerzu betont und sich selbst am besten eine Lodensack anzieht und kompletten Verzicht übt? Was genau wird dadurch besser?

Wir brauchen nicht weit zurück zu schauen um zu sehen, daß viele unserer Großeltern nach dem Krieg nichts hatten und hart gearbeitet haben um über die Runden zu kommen und die Familien und das Land wieder zum Laufen zu bringen. Weder die Hautfarbe und noch weniger ihre Herkunft verschafften ihnen Vorteile, sondern Fleiß, Willensstärke, Hoffnung in die Zukunft. Weiter gehts mit unseren Eltern, Nachkriegsgenerationen, als Kinder nie genug zu essen, mitarbeiten, wer mehr vom Leben wollte mußte sich strecken, lernen, lernen, lernen, geschenkt gab es nichts und gibt es nichts. 

Und dann kommen wir - und wir hatten wirklich Glück, kein Krieg, kein Hunger, wirtschaftlich gute Jahre. Kinderbetreuung für alle, Bildung für alle, soziale und Gesundheitliche Absicherung für alle, was hatten unsere Vorfahren geschafft!(ost-west lasse ich mal raus jetzt) 

Klar, es gibt immer die ganz Reichen oder Die mit Beziehungen, aber, die gibt es in jedem Land der Welt und teilweise viel korrupter.

Aber auch Kinderbetreuung und Bildung gibt es in sehr vielen Ländern, auch medizinische Grundversorgung oder Altersvorsorge…., überall anders ausgeprägt aber sicher nicht nur an weiße Hautfarbe gebunden. 

Ich habe viele Länder dieser Erde bereist, auch die sogenannte 3. Welt, und natürlich ist nicht überall alles super, aber auch nicht alles schlecht. Mit welchen Maßstäben messen wir denn das Privilegiertsein? Ich finde, manche nehmen sich da Zuviel raus im Festlegen, was sagt etwas über den bestmöglichen Zustand aus und den haben wir und deshalb sind wir privilegiert. Wie abgehoben eigentlich?

Und ja, es geht uns gut, meinem jungen Freund und mir, es ist uns bewusst, aber wir haben auch viel dafür getan, gelernt, gearbeitet, mehr gelernt, Interesse gezeigt, nachgefragt, Möglichkeiten gesucht und gefunden, viel selbst bezahlt - es ist uns nicht einfach in den Schoß gefallen. Und dieses Totschlagargument , -wir sind ja privilegiert- macht nichts und für niemanden etwas besser. Vor allem dann nicht, wenn es von Leuten kommt, die eigentlich noch gar nichts auf die Reihe bekommen haben, noch nie in den Regionen waren über die sie reden, und anstatt ihre Fähig- und Fertigkeiten zum Nutzen aller zu erkennen und zu entwickeln, lieber alles nach unten nivellieren und damit im schlimmsten Fall alles für alle schlechter machen.

Da mache ich jetzt einen Punkt. 

Ein kleines Kulturprogramm gab es heute aber auch😌 Ich war nochmal in der Metropolitan Opera und habe mir tatsächlich noch einen Wagner angeschaut, den ’Fliegenden Holländer’ in der Prämiere. Erstaunlicherweise nicht ausverkauft. Bühnenbild toll, Solisten und Chöre unglaublich stimmgewaltig nur leider schlecht zu verstehen, selbst für mich als Muttersprachler, das Orchester war super hat aber alles übertönt, das war sehr schade. Aber die Handlung ist ja recht einfach und eindeutig so konnte man sich der Musik hingeben, die so unverkennbar mit den Hörnern begann….





Montag, 29. Mai 2023

E145, 97th

 Es ist wie ’nach Hause kommen’ als ich heute Mittag mit meinem Hab und Gut wieder in der 97th die Tür aufschließe…..


Cynthia und ein köstlicher Smoothie erwarten mich und auch mein altes Zimmer ist frisch hergerichtet, traumhaft!

Cyn ist voller Tatendrang und angefixt durch einen Freund möchte sie sofort mit mir zu den Niagara- Fällen fahren 😳 , 2 Tage, kein Ding! Nun, ich habe alles andere im Kopf als Dieses, Opernkarten, White Plains, New York bis zum Umfallen….schweren Herzens verpacke ich meine Zweifel an dem Vorhaben in tröstliche Worte, oh Mann, sie ist immer so euphorisch und das jetzt gerade tut mir richtig leid…zumal ich schon einmal dort war und diese Reise - im schnellen schwarzen Boyfriend - tatsächlich zwei wertvolle Tage kosten würde, welche mir so schon durch die zusammengepressten Finger tropfen…

Verständnisvoll wird sofort umgedacht, dann eben die Wasserfälle als nächstes Fotoprojekt in Ruhe und in Newburgh gibts ja auch genug zu tun, gut so😌

Zeit für einen neuen Vorstoß Richtung Harlem mit meinem guten Freund Chris. Zu zweit ist man selbstverständlicher unterwegs und schon im ersten Laden stolpere ich über eine echt gefährliche Irritation, im Eingangsbereich stehen, gut sortiert, ein paar Flaschen, die mich an Trump’s Desinfektionskampagne gegen Corona erinnern.



Sieht lecker aus, riecht köstlich, die Etiketten fruchtig und frisch - irgendein Reinigungszeug, boah, gruselig!!!!!

Auch heute sommerliche Festtagsstimmung, alt und jung sind auf den Straßen, alles feiert den Memorial Day. Viele haben frei, die Kinder keine Schule, es duftet wunderbar nach Gegrilltem, wenn auch :


überall das öffentliche Straßengrillen verboten ist 🤷🏼‍♀️nimmt es doch niemand so ganz genau hier 😂


Und es fällt uns schwer, daran vorüber zu ziehen, ohne zu lachen oder uns gleich selbst einzuladen.

Wir ziehen einen großen Bogen von East Harlem rüber nach Westen und besuchen noch einmal den wunderschönen Campus der Columbia University. Im Hellen schon sehr beschaulich und einladend, da möchte man glatt nochmal von vorn anfangen…



Begründet 1754, noch unter der Satzung des Englischen Königs George II, ist es die älteste Uni im State NY und die 5.Älteste in den US. Es änderten sich der Name - Kings College zu Columbia und die Orte der Vorlesungen über die Jahre, von Lower Manhattan (Trinity Church) rauf nach Harlem, aus dem College wurde eine Universität. 

Fast alle Fachrichtungen sind vertreten, Kunst, Geisteswissenschaften, Technik, BWL, Medizin, Sport, Musik und Gemeinschaftssinn werden gelehrt und gelebt, es wird geforscht und gefeiert und dieser riesige Campus erinnert an Bücher, Filme..

Die Amsterdam Avenue abwärts erscheint linker Hand die überwältigende neugotische Westfassade der Cathedral of Saint John the Divine. Dem heiligen Johannes gewidmet dient sie als Bischofssitz. Begonnen wurde der Bau bereits 1892, ruhte jedoch immer wieder für Jahre zwischendurch und wurde bis heute nicht ganz fertig gestellt. Einst sollte sie die größte Kathedrale der Welt werden, heute reicht es immer noch zur 4., nach Rom, Paris und Sevilla. Ein Brand zerstörte 2001 das nördliche Querschiff, in Corona Zeiten wurde das Gebäude mit ca 200 Betten bestückt, als Ausweichstelle des Mount Sinai Hospital genutzt. 





Und da Chris ein Dublin Fan ist und Malwine gerade noch dort ist bleiben wir im St James Gate hängen, plaudern über alte Zeiten, die Jugend von Heute und lösen auch sonst allerlei Weltprobleme…..


Und wie herrlich ist denn ein nahezu kurzer Heimweg!!!!!

           


Pfingsten

 

Es ist ist Pfingsten und wie in unserer Gemeinde zuhause wird auch hier in New York heute Konfirmation gefeiert. Das fühlt sich verbunden an und so wie ich mittlerweile die 7 Konfirmanden hier kennen gelernt habe, denke ich besonders heute auch an unsere Freunde, die in Rostock diesen Tag mit einem schönen Gottesdienst begehen und dann fröhlich beisammen sind. 

Die Kirche ist voll, sowohl Feiertags- als auch Konfirmationsgäste füllen die Reihen, wie schön!

Natürlich gibt es auch den Bezug zu Pfingsten und dem Heiligen Geist aber das Hauptaugenmerk gilt den jungen Erwachsenen und ihrem bewußten ‘JA’ zu Gott. An der Kanzel lehnt die Miss Liberty, denn Erwachsensein heißt auch Loslassen, von beiden Seiten aus - Freiheit! Möglichkeiten, Vertrauen und Zuversicht, Hoffnung in die Zukunft, und einen festen Glauben, der trägt und verbindet. 

Besonders schön die Grußworte des Kirchenrates und die damit verbundenen Geschenke für jeden der sieben Jugendlichen - einen Apfelbaum, der tiefe, feste Wurzeln schlagen möge, sich reckt und streckt und prächtig wird zu allen (Jahres)Zeiten, schillernd in allen Farben, immer wieder wohlschmeckende Früchte tragend, die man auch teilen kann, Schatten und Schutz spendend….wunderbare Idee🍎

Und herrlich kraftvoll singen wir die Lieder, die wir in den letzten Wochen eingeübt haben und ein Mädchen singt ein Lied für uns alle, ganz allein, ganz mutig! 



Im Anschluss gibt es heute nicht nur Kaffee und Kuchen sondern auch einen kleinen Sektempfang und Häppchen und alle sind noch ein wenig beieinander, bevor sie dann ihre eigenen Familienfeiern starten. 

Das ist besonders schön, schweißt es doch alle Gemeindemitglieder zusammen an diesem wunderschönen warmen Sonntag.


Im Anschluss begebe ich mich auf eine Wanderung Richtung Hudson, denn es ist alles zum Memorial Day geschmückt. Neben dem dort liegenden Army- Museum - Flugzeugträger ist noch ein Zweiter hier eingetroffen und all die Matrosen bevölkern die Straßen in ihren schneeweißen Ausgehuniformen, zauberhaft anzuschauen. 

Memorial Day, ursprünglich Decoration Day, geht auf das Jahr 1868 zurück, ein Feiertag, an dem derer gedacht wird, die im Dienste der Army ihr Leben ließen. Es gibt unterschiedliche Theorien zur Entstehung dieser Tradition, einst gab es eine Gruppe Frauen, die ihre Männer und Söhne betrauerten, in anderen Bundesstaaten wurde diese Ehrung von Kameraden ins Leben gerufen. Die Gräber werden geschmückt, Fahnen werden platziert, es gibt Gedenkgottesdienste, Paraden….und ein verlängertes Wochenende, denn seit 1970 findet dieser Tag immer am letzten Montag im Mai statt, dieser Tag gilt auch als inoffizieller Sommeranfang. Auch heute - ein spektakulärer Sonnenuntergang, welchen man an ganz bestimmten Orten besonders toll erleben kann, wird sogar in den News drüber berichtet und Tipps gegeben.☀️

Viele Amerikaner nutzen diese Tage für Familientreffen oder Kurztrips, 42 Mio sollen dieses Jahr irgendwie, irgendwo unterwegs sein, Aufbruchsstimmung nach den Corona Jahren. Es fühlt sich nach prallem Leben an, ich freue mich für alle hier mit!

So treibe ich mit dem Strom durch den Nachmittag, halte ein kleines Nickerchen auf einer gemütlichen Liege und erlaufe noch ein paar neue Straßen in der UWS, welche wahrlich mondän daherkommt. In den Straßencafés Livemusik und gute Laune.

Dabei entdecke ich noch dieses eindrückliche Portal…



Am Ende bin ich 16 km gelaufen, quer durch den Central Park gerast, zum Sonntäglichen Dinner mit Cynthia und ihren Freunden. Wie schön, Eve ist auch da, der Platz neben ihr noch frei und sie freut sich, mich wiederzusehen. Und natürlich hat Cyn ihr schon berichtet, daß ich ihre Biografie las und so kommen wir sofort ins Gespräch, zumal ich den Bogen über Uecker spannen kann, der ja eine besondere Beziehung zu Rostock hat, und sie erinnert sich so gut an ihn und seine Frau, herrlich klein ist die Welt. Und sie ist einfach so hinreißend und bescheiden und interessiert und interessant…und ein paar neue Gesichter sind dabei, noch eine Fotografin, Karen, bisschen typisch Künstlerin, etwas transparent und suchend, zu meiner Rechten, später gehen wir gemeinsam zur Bahn und sie ist sehr sensibel und filigran und Gedanken durchdrungen, da fällt selbst mir das darauf eingehen schwer, noch dazu in einer fremden Sprache, puh..

Und Helen, die Dame mit dem 5100 Kostüme umfassenden Fundus, Accessoires wie Hüte, Schuhe…nicht eingerechnet. Sie kleidet sie alle ein, Schauspieler, Moderatoren, Partygänger, sie kennt alle - alle kennen sie. Unglaublich, wen Cyn auch alles kennt und noch unglaublicher, daß ich eintauchen darf in diese illustre Gesellschaft!!! Helen kommt ursprünglich aus Belgien, ihr Vater, einst ein erfolgreicher Banker, immigrierte mit der Familie in die Staaten als Helen 3 Jahre alt war, heute ist sie gefühlt um die 80 und gerade dabei, ihr Imperium zu veräußern..und nochmal zu reisen, speziell nach Europa, Belgien, vielleicht Deutschland…Cyn freut sich maßlos über das Gedankenspiel, daß die ganze Bande in meiner Praxis auftaucht, na das wäre doch ein unglaubliches Spektakel!!!!!

Sollte sich jemand diese Runde bildhaft vorstellen wollen, dann bitte mit viel Phantasie, denn diese Damen sind Damen im wahrsten Sinne des Wortes, nicht in Tarnfarbe beige und Wanderschuhen sondern frisiert, geschminkt, lackiert und wundervoll gekleidet und beringt und bekettet und umgeben von einem Hauch Glanz und Grazie, hinreißend!

Und wieder einmal komme ich beseelt und dankbar nach Hause, was für Tage…………….

Und für Schnüffler😉; Helen Uffner Vintage Clothing……

Samstag, 27. Mai 2023

Bedford Stuyvesant

 Es darf noch ein wenig mehr Information zu meinem jetzigen Viertel sein, Bed-Stuy genannt ist eine Neighborhood im nördlicheren Brooklyn. Im 17./18.Jahrhundert von drei holländischen Farmern begründet, geht der Name auf die damalige Siedlung Bedford ( ich schrieb schon mal über die Bedford Avenue, damals längste befestigte Straße diesseits des East River) und den letzten Gouverneur Stuyvesant der Kolonie Neuniederlande zurück.


Mit ca 8800 Gebäuden die vor 1900 erbaut wurden verfügt dieser Stadtteil über den größten Bestand an Viktorianischer Architektur in den ganzen Vereinigten Staaten. Nahezu unberührt, viele Brownstones mit typischen Ecksteinen, Riffelungen, aufwendigen Fries - und Gesimsbändern. Zwischen 1890-1910 wurden sie hauptsächlich für die wachsende obere Mittelschicht gebaut, nach 1930 wanderte die schwarze Bevölkerung aus dem überfüllten Harlem zunehmend nach Brooklyn und in den 60 er Jahren waren 85 % Schwarze. Durch hohe Arbeitslosigkeit kam es zu sozialen und rassischen Spannungen, Bandenkriege brachen aus, Drogenhandel…, teilweise wurde die Polizei der Sache nicht mehr Herr. Erst durch viele Hilfsprojekte und den Einsatz von Sozialarbeitern und die Aufnahme Schwarzer in Beamtenposten oder in den Kongress konnte sich die Situation hier deutlich verbessern. Noch in den frühen 2000ern war die Kriminalität hoch, Tötungsdelikte nicht selten. 

Heute zeigt das Stadtbild in Brooklyn etwa 46% Schwarze, Asiaten sieht man hier kaum. Der ca 30% weiße Bevölkerungsanteil wird großteils durch die jüdischen Gemeinden und Hispanics gebildet. Gentrifizierung auch hier deutlich zu spüren, die ‘Alteingesessenen‘ haben Angst vor den neuen Hipsters und vor steigenden Mieten, etc. Die Kriminalitätsstatistik ging zwar zurück und doch passiert eigentlich jeden Tag etwas, wenn man die Nachrichten verfolgt, von Ladendiebstählen über Autos, die irgendwo reinfahren oder sogar Leute überfahren, bis zu den momentan häufiger vorkommenden ’push’ auf die Metro - Gleise, was für ein Wahnsinn!?! Ich stelle mich schon immer mit dem Rücken an die Wand..

Diese Unterschiede in der Bevölkerungszusammensetzung zwischen Queens und Brooklyn und Manhattan konnte ich überall dort deutlich wahrnehmen, das ist schon sehr spannend.




Und da die Hitze gerade in die Stadt zurückkehrt sind wir heute nochmal an einen der Stadtstrände gefahren, Rockaway Beach.



Kilometerlang schönster Sandstrand und kaum Menschen, das verwundert immer ein wenig aber es gibt hier einfach so viele Strände und vielleicht sind zum Memorial Day Weekend eben doch alle verreist.


Es gibt zu viel Strand und zu wenige lifeguards, so versucht man mit einem Stundenlohn von $21 und einer extra Prämie von $1000 die vakanten Stellen zu besetzen, habe Albert schon Bescheid gegeben😂


Unter den wachenden Augen der Rettungsschwimmer, die hier gerade alle 50 m ‘Hochsitzen‘ und nach Haien Ausschau halten, geht Heinrich noch mal baden und wir picknicken fein und nutzen die verbleibende Zeit und freuen uns über das gemeinsam Erlebte. Denn während ich schreibe fliegt er schon durch die Nacht gen Heimat…



Essen ist auch Kultur(Genuss)

 Heinrich ist im MoMA!

Wahrscheinlich geht New York nicht ohne!

Ja, ich erinnere ja auch vieler witziger Objekte, es ist experimentell und anders als andere Museen, auch Kunst ist zum Glück Geschmacksache und jeder wird etwas für sich finden, so er sich auf die Suche begibt.

Ich nutze die Zeit zur Nachlese. Klar, die Frage, warum jemand eine begrenzte Zeit in New York mit Lesen und Schreiben verbringt, ohne Schriftsteller oder Reisereporter zu sein, ist berechtigt. Stelle ich mir selbst manchmal und hadere schon - gehe ich lieber noch mal los oder vertiefe ich mich rein gedanklich?

Jedoch gibt es für mich nichts Spannenderes als zu WISSEN WAS man sieht, Dinge und Wesen SEHEN….(😉 schön in Avatar)

Und dann diese Schlüsselerlebnisse manchmal, nach Tagen, Wochen, Monaten…Jahren. Puzzleteile fügen sich ein, wo vorher nichts fehlte und nachher ein Ganzes ist, so fühlt sich manchmal Glück für mich an.

Und das Schreiben macht das Erlebte wiederholbar, lässt andere teilhaben, wer hört sich denn heute noch einen 3 Monats - Reisebericht an? So lange kalte Winterabende gibts ja gar nicht mehr und viele Menschen haben das Zuhören und die Geduld irgendwo verloren.

(Dazu eine kleine Anekdote aus meiner Schulzeit hier; wir sollten uns um einen Job bewerben und dafür Stärken, Schwächen, Was kann besser werden….erzählen und eine junge deutsche Frau sagte, meist interessieren sie Dinge, die andere erzählen nicht und sie müsse noch besser darin werden, diese Gespräche im Keime zu ersticken und einfach wegzugehen! 😳Dabei hatte sie tatsächlich auch eine ablehnende Körpersprache, was, glaube ich, die meisten etwas verschreckt hat und dafür sorgte, daß diese Frau eigentlich auch nie zu etwas eingeladen wurde. Wie schade, man kennt ja ihre Geschichte nicht, aber wie schlimm muß es sein, wenn der Mensch das Soziale, die Fürsorge, was uns auch ausmacht komplett ablegt? 

Insofern stelle ich für mich fest(wie immer😌) - es kommt eh wie es soll - und im Vertrauen darauf habe ich mit jeder Minute, lesend, hörend, sehend, gehend, essend, wartend ……etwas gewonnen! 

Hier mal ein paar Wege der letzten 2 Tage 😂







Ich fasse das mal ein wenig zusammen. 

Ein kleines aber lohnenswertes Kunsthighlight ist die Neue Galerie in der 5. Avenue, Ecke 86th Straße.


Zwei gute Freunde, der Kunsthändler und Kurator Serge Sebarsky und der Geschätsmann, Kunstsammler und Philanthrop Ronald Lauder verwirklichten hier ihren Traum. Als Liebhaber deutscher und österreichischer Kunst und Designs trugen sie Werke Klimt‘s, Kokoschka‘s, Schiele‘s, Klee‘s, Marc‘s, Kirchner‘s….zusammen, Arbeiten von Loos, Marianne Brandt… Ein Kleinod, daß leider erst nach Sebarskys Tod, von Lauder  1996, als Tribut an seinen Freund, eröffnet wurde. 


Dieses unglaubliche ‘Portrait von Adele-Bauer‘ von Klimt ist hier zu bestaunen, wunderbar!  Fünf weitere Klimt Gemälde, die ihren Weg erst in den letzten Jahren hierher fanden, nachdem sie in der Nazizeit durch Enteignung bei Göring gelandet waren und lange Verhandlungen durch die, in die Staaten immigrierte, eigentliche Erbin. Was für Geschichten….

Und im Café Sabarsky sitzt man wie im Wiener Kaffeehaus und genießt Sachertorte und Wiener Melange.

Und da wir interessierte Leute sind, setzt Cynthia uns gleich mal auf die Gästeliste für das Donnerstägliche ‘opening’ der neuen Fotoausstellung im Salmagundi Club, einer der Ältesten seiner Art in den Staaten, gegründet 1871 von Künstlern und Förderern, heute 1100 Mitglieder, junge Talente zu fördern, Altes zu bewahren.






Uns gefällt das Haus und der Altbestand an Kunst besser als die aktuellen Bilder einer mit Hybris gesegneten älteren Dame, deren Fotos von russischen Zirkusartisten weder besonders originell noch gut sind - einfach nur exotisch weil russischer Zirkus, lohnt sich nicht hier abzubilden. Cynthia muss auch lachen, so kreieren wir unseren eigenen Spaß…





Soviel Aktivität macht hungrig und ein Besuch im Katz’s, Houston Street, ist ein Muß für Fleischliebhaber!


Seit über 100 Jahren geht der Laden durch Familienhände, Fleisch und dessen delikate Verarbeitung ist deren Passion. An einem riesigen langen Tresen stehen die Kunden in 7 Reihen und warten geduldig, bis auch sie am Zuge sind und dabei zuschauen, wie ihr ‘Burger‘ entsteht. Mit Ruhe und Gelassenheit hält der Meister small-talk mit jedem Gast, während das scharfe Messer das dampfende ‘Rot‘ in zarte Scheiben trennt und er diese dann zu Haufe im selbst gebackenen Brot schichtet, mit Gürkchen garniert und schlussendlich über die Theke schiebt…..




                                     Soooooooooooooooooooo leckerrrrrrrrrrrrrrrrr!!!!!!!!!!!!!!!!

Und wenn wir schon beim guten Essen und meinen Empfehlungen diesbezüglich sind dann kommt auch das ‘Astoria Seafood’ in Queens noch mal dazu, hatte ich schon mal geschrieben. Bester frischer Fisch, täglich wechselndes Angebot, ja nach Fang, alle Sorten Fisch, Krabben, Garnelen, Muscheln, Austern…man wählt den Fisch und sagt, ob gebraten oder frittiert oder sonst wie und los gehts, bisschen gutes Öl, Kräuter, Salat, zum Niederknien gut!




(Gestern Abend)


Goodbye and happy holidays

Grau beginnt mein Abreisetag und in Voraussicht auf langes Sitzen zieht es mich nochmal runter zum East River, ist sowieso zu kurz gekommen,...